Ein neuer Anfang in Point West
Der Erfinder glaubte wohl, daß er mit seinem Umzug den Genossen entkommen könnte. Er versuchte offensichtlich, einen neuen Anfang zu machen; er baute weiter an seinen Erfindungen und lud wieder Betriebe ein, um sie ihnen vorzuführen.
Er wußte offenbar nicht, daß auch dieser Umzug arrangiert worden war, und zwar damit nicht er, sondern der KGB mit dem Erfinder einen neuen Anfang machen konnte.
Er glaubte wohl auch, seinem Postboten entkommen zu können; dieser aber zog mit um.
Jetzt hatten die Kommunisten den Erfinder endlich dort, wo sie ihn schon lange hinhaben wollten. Er saß jetzt in der Mitte eines schon bewährten Überwachungssystems, das der KGB bisher gegen den vorherigen Hausbesitzer eingesetzt hatte, einem amerikanischen Erfinder, der an einem neuen Antriebssystem für Flugzeuge gearbeitet hatte.
Nachdem der KGB den Auftraggeber für militärische Spionage verloren hatte, sollte "ihr Einstein" in dieses Haus einziehen. Jetzt übernahmen ihn die alten Haudegen des KGB vom SSD. Sie sahen immernoch eine Chance, mit seinen Erfindungen ein Millionengeschäft machen zu können, wenn sie den Erfinder nur in den Griff bekommen könnten. Das war für die alten Genossen des KGB sogar jetzt lukrativer als zuvor.
Da sie von keiner Regierung mehr abhingen, konnten sie jetzt das ganze so erwirtschaftete Geld behalten. Es gab sie ja offiziell gar nicht mehr. Die alten Genossen, die seit jahrzehnten mit dem Erfinder beschäftigt waren, frohlockten darüber; etwas besseres hätte ihnen nicht passieren können. Sie hatten die Akten über den Erfinder noch. Warum sollten sie also nicht noch ein paar Millionen aus ihnen herausquetschen? Zum anderen hatten sie völlig freie Hand; niemand tat noch irgendetwas gegen sie - es gab sie ja nicht mehr und von einer neuen KGB-Maffia sprach noch keiner.
Für den Erfinder hatte sich nichts geändert, im Gegenteil. Man nahm sich vor, eine schärfere Gangart gegen den Erfinder einzuschlagen. Die Deutschen seien sowieso zu lasch gewesen, meinten die russischen Genossen, die ihrem kleinen Bruder bisher nur über die Schulter geschaut hatten. Sie würden kurzen Prozeß mit dem Erfinder machen.
Der Erfinder hätte gar nicht umziehen müssen. Seine zwangsweise Ausweisung aus Village Green wäre kaum durchsetzbar gewesen, zumal Powers später selbst zugegeben hatte, daß seine Pumpen nicht zu laut waren und er eigentlich niemanden störte. Gegen das KGB-Schild hatte der SSD nicht direkt vorgehen können, weil keiner der Genossen im Vorstand von Village Green gewesen war. Das sollte in Point West alles anders werden. Der KGB - Sektion Point West war bestens vorbereitet, den Erfinder in seine starken Arme zu übernehmen...
In Point West wohnten keine Deutschen in meiner Nähe. Ich hatte jetzt auch einen anderen Postboten, was für mich wichtig war. Es schien, daß ich den Klauen des SSD endlich entkommen war. Ich atmete auf. Es kümmerte sich hier keiner um mich. Nur ein Nachbar direkt gegenüber der
Straße schien etwas neugierig zu sein, was aber verständlich war, denn er hatte den ganzen lieben langen Tag nichts zu tun. Er ging keiner Arbeit nach und hatte auch kein Hobby. Er war aber hilfsbereit und borgte mir sein Werkzeug, damit ich meine Bäume beschneiden konnte.
Er hieß James Cassidy und war sehr gesprächig. Er redete so viel auf mich ein, als ob er es bezahlt bekäme. Er erzählte mir alles über Sam T., der vorher in dem Haus gewohnt hatte.
Woher weiß er das alles, wunderte ich mich. Er mußte ja praktisch mit ihm zusammen gelebt haben. Und warum macht er ihn so schlecht, fragte ich mich. James Cassidy haßte ihn, und machte gar keinen Hehl daraus. Ich hingegen hatte einen guten Eindruck von ihm gehabt. Sam T. war nett; er hatte mir auch sein Modell seiner Erfindung gezeigt. Aus irgendeinem Grunde hatte er es aufgegeben, weiter an seiner Erfindung zu arbeiten, während er in diesem Haus lebte. Ich wußte nicht warum.
(Die Lösung war mal wieder zu einfach, sodaß ich nicht drauf kam, weil ich nicht in der Logik des KGB dachte.)
Über sich, seine Frau und seinen Nachbarn Bob Somerville, der direkt neben ihm wohnte und offenbar sein Freund war, erzählte James Cassidy bei dem vielen Gerede seltsamerweise überhaupt nichts. Er erzählte mir auch nicht, daß seine Frau im Vorstand des Hausbesitzervereins war.
Nachdem ich mich eingerichtet hatte und die Werkstatt zum Laufen gebracht hatte, machte ich mich gleich daran, ein neues Modell zu bauen; diesesmal einen Kompressor. Ich verwendete Wasser als Systemflüssigkeit und hatte damit überraschend gute Ergebnisse. Wasser steigerte den erreichbaren Druck etwa um den Faktor 10, außerdem diente es zur Kühlung. Das war das gewesen, was ich schon bei der Knorr-Bremse GmbH machen wollte, aber nie gedurft hatte.
Der Kompressor besitzt keine eigenen Lager. Der Kolbenrotor sitzt direkt auf der Welle des Elektromotors. Er besteht aus einer Scheibe mit drei starr befestigten kleineren Scheiben, die als Kolben dienen. (Der gleiche "Rotor "könnte auch als Kolbentriebwerk in einer Taumelkol-benmaschine benutzt werden.)
Über dem Gehäuse ist der Behälter für die Druckluft angeschraubt, der teilweise mit Wasser gefüllt ist, sodaß das Gehäuse des Kompressors immer mit Wasser gefüllt ist. Der Verdichter besitzt keine Kühlrippen. Das Wasser kann in einen Kühlkreislauf geschickt werden.
Das Wasser kühlte aber nicht nur, sondern beseitigte auch jegliche Leckage für die Luft, da in den Dichtspalten der Luft Wasser mit dem Betriebsdruck gegenübersteht. Anstatt Luft aus den Zylindern entweicht, dringt nur etwas Wasser ein. Dieses Wasser füllt das tote Volumen in den Zylindern aus. Dies sind Gründe dafür , daß der erzielbare Druck für einen derartigen Kompressor sehr hoch ist.
Dies war ein Durchbruch in der Kompressorentechnologie!
Das mußte ich unbedingt einem Kompressorenhersteller zeigen. Ich konnte jetzt anhand des gebauten Kompressors beweisen, daß meine Gedanken richtig seien...
Ich brauchte nicht lange zu suchen. Es kamen Ingenieure aus Florida, von CEF-Industries, die unter anderem Kompressoren bauten. Es schien genau das Richtige für sie zu sein, denn sie arbeiteten schon mit Wasser. Sie wollten den Kompressor, um die Luft in den Wasserbehältern in Flugzeugen zu komprimieren. Der Kompressor könnte also direkt im Wasser laufen.
Im August 1994 kamen drei Vertreter von der Firma CEF-Industries sich meinen Kompressor anschauen. So eine Vorführung ist immer eine aufregende Sache für einen Erfinder, weil immer etwas schief gehen kann - ging auch. Der Kompressor lief nicht, obwohl ich vorher alles getestet hatte und alles einwandfrei lief.
Die Sache war höchst peinlich. Die Herren versuchten noch einige Messungen an meinen Pumpen zu machen. Diese zeigten zu meiner Überraschung auch alle schlechte Ergebnisse. Nichts funktionierte richtig an diesem Tag. Sie reisten ab und haben sich nie wieder sehen lassen.
Man hat als Erfinder leider immer nur einen einzigen Versuch. Wenn dabei etwas schief geht, ist alles aus - alles Interesse wie weggeblasen. Das ist leider überall so, auch ohne den SSD im Hintergrund. Als sie weg waren schaltete ich meinen Fernseher ein, um mich von diesem Disaster abzulenken. Der Fernseher streikte auch. Er wollte, aber konnte nicht. Dumm wie ich war, nahm ich ihn auseinander und probierte es wieder und wieder, bis Rauch aufstieg und er gar nichts mehr von sich gab. (Ich hatte es immernoch nicht gelernt, in der Logik des KGB zu denken.) Am nächsten Tag begann ich der Sache auf den Grund zu gehen. An meinem Kompressor konnte ich beim besten Willen nichts finden. Ich mußte woanders suchen.
Auch der Dümmste hat irgendwann Erfolg, wenn er nicht aufgibt. So fand ich endlich heraus, daß meineVersorgungs-spannung nur noch 80 Volt statt der hier üblichen 110 V war; gerade so viel, daß man es nicht sofort merkte, und gerade so wenig, daß nichts mehr richtig funktionierte. Soetwas ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht passiert, deshalb war ich erst so spät drauf gekommen.
In Olching hatte mir der SSD den Strom ganz abgeschaltet gehabt; das hier war natürlich viel intelligenter. (Es war ja auch der KGB). Jetzt erinnerte ich mich, daß der SSD immer auf meinen Kabeln saß, sowohl Telefon- als auch Stromkabeln.
Jetzt brauchte ich nur noch die Schadensstelle zu finden, dann hätte ich den SSD gefunden. (Ich wußte damals noch nicht, daß der KGB meinen Fall voll übernommen hatte.) Ich rief die hiesige Stromfirma FPL (Florida Power and Light) an, die dann der Sache auf den Grund ging. Mit einem Gerät ging einer wie ein Wünschelrutengänger dem vergrabenen Kabel nach. Sie gingen von meinem Haus aus über die Straße zum Grundstück von James Cassidy. Genau an der Grenze zu seinem Nachbarn und Freund Bob Somerville wurden sie fündig. (Mein Kabel lief durch seinen Garten zu einem Transformator hinten in seinem Garten.) Dort war mein elektrisches Kabel angeschnitten worden, und zwar genau so, daß die Spannung auf 80 V abfiel. Es waren Experten am Werk gewesen. (Ich hatte mich natürlich auch gefragt, ob es vielleicht ein Versehen war. Das Stromkabel ist aber viel tiefer als die Wasserleitung - ein Versehen also ausgeschlossen.) Ich hatte selbst dort jemanden graben gesehen, hatte mir aber nichts dabei gedacht. Alles was der KGB macht ist immer gut getarnt; diesesmal als Arbeiten an einer Wasserleitung - und von der Wasser-wirtschaft. Wer ahnt etwas Böses dabei?
Die beiden Verdächtigen, ein Weißer und ein Schwarzer, die mein Stromkabel angeschnitten hatten mit einem Wagen der Wasserwirtschaft. Mein Nachbar rechts gegenüber, Robert Somerville, scheint die ganze Aktion zu überwachen.
Ich hatte auch oft meinen Nachbarn James Cassidy draußen stehen sehen, mir aber auch nichts dabei gedacht. Jetzt führten alle Spuren zu ihm und seinem Freund, mit dem er oft etwas zu diskutieren hatte. Ich fragte ihn, wer dort gebuddelt hatte. Er setzte mich mich großer Überzeugungskraft auf eine falsche Fährte. Oh, konnte er lügen! Schließlich fand ich doch heraus, daß es zwei Angestellte der Wasserwirtschaft gewesen waren, ein Neger und ein Weißer jüngeren Alters. Der KGB hatte sie dafür bezahlt.
Solch ein vereinzelter Sabotageakt konnte mich natürlich nicht aufhalten. Jetzt ahnte ich aber, daß ich wieder in eine Falle getappt war. Dieses Haus war eine Falle des KGB! Wie sie Sam T. dazu bewegt hatten, mir sein Haus zu überlassen, weiß ich nicht. Eine Frau könnte dabei eine Rolle gespielt haben.
Anstatt mich meinem wahren Problem zu widmen, glaubte ich immer noch, daß meine Erfindungen einfach noch nicht gut genug seien, um angenommen zu werden.
Nachdem mein neuestes Axialkolbenprinzip einen Wasserdruck bis zu 100 bar erzeugen konnte und auch als Wasser-Hydraulikmotor laufen konnte, mußten meine Modelle noch zuverlässig werden. Zum Glück hatte ich jetzt einen extra Raum, wo ich Dauerläufe machen konnte, ohne die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Alles, was nicht hielt, änderte ich. So bekam ich langsam immer bessere Modelle, die man - wenn sie längere Zeit halten - Prototypen nennen darf. Sie sind dann schon fast für eine Produktion geeignet. Ich machte weitere Kontakte zu vielen potentiellen Lizenznehmern, in den USA und in Deutschland, wo in der Juli/August Ausgabe 1994 der Zeitschrift "fluid" ein Artikel von mir über mein neues Axialkolbenprinzip erschien. Ich war sehr froh darüber, daß es mir wieder erlaubt worden war, in dieser Zeitschrift zu veröffentlichen. Es sollte ausreichen, einen Lizenznehmer zu finden, zumal sich über 100 Betriebe meldeten. Alle großen Betriebe mit Rang und Namen waren dabei. Ich hatte auch allen potentiellen Lizenznehmern geschrieben. Eigenartigerweise verloren aber alle plötzlich das Interesse. Sogar Hochschulen wurde es verboten, sich weiterhin mit meinen Ideen zu befassen...
Es gibt nur eine logische Erklärung für dieses Phänomen: Jemand mußte allen zusätzliche Informationen gegeben haben.
Die einzige Firma, die mich besuchen kam, war die Firma Danfoss aus Dänemark, die aber gerade selber an einem eigenen Wasser-Hydraulikmotor arbeitete. Deutschland war offenbar verseucht worden, denn von dort kam niemand. Mein Name, oder irgendetwas anderes, schien sie alle abzuschrecken. In den USA war es nicht viel anders. Keine Kontakte, die ich von diesem Haus aus knüpfte, waren fruchtbar, obwohl meine Angebote in technischer Hinsicht viel besser waren, als früher.
Alle Betriebe reagierten sehr eigenartig. Normalerweise will jeder Betrieb etwas Neues zumindest testen, wenn er einen Prototyp kostenlos angeboten bekommt. In meinem Fall aber wollte keiner mehr etwas kostenlos annehmen. Hatten meine Mißerfolge etwas mit diesen beiden Nachbarn zu tun?
Der verdächtige Briefträger von Village Green tauchte auch plötzlich wieder bei mir in Point West auf.
Hier holt er gerade etwas ab, was James Cassidy ihm an seine Türklinke gehängt hatte. Befördert er privat auch noch andere Dinge, als die offizielle Post?
Mein alter Postbote, der sich schon früher verdächtig gemacht hatte, tauchte plötzlich wieder auf und bediente mich auch hier. Er hatte sehr darum gekämpft gehabt, daß er das neue Gebiet bekam, in dem ich nun wohnte. Obwohl ich umgezogen war, hatte ich seit meinem Eintreffen in den USA 1990 immer den gleichen Postboten.