Eine unerlaubte Fernsehsendung

 

Das Heinrich Hertz Institut (Institut für solar-terrestrische Physik) bei der Akademie der Wissenschaften der "DDR" hatte nun ein weiteres Problem. Sie hatten einen bereits amtlich beglaubigten Klassenfeind in ihrem Hause, den aus irgendeinem Grunde keiner einsperren wollte, wie es sich für eine saubere und ordentliche sozialistische Gesellschaft gehören würde. Man hielt ihn nur unter "operativer Kontrolle", wie es im Jargon des SSD hieß. Das Objekt all der Aufregung, das war ich mit meinen Erfindungen. Wenn der Staatsrat gerade beschlossen hätte, eine neue Drehkolbenmaschine zu erfinden, wäre ich jetzt "Erfinder des Volkes" geworden. Da dies aber nicht auf dem Plan stand, war alle was ich tat unerlaubt und ich kein Volksheld, sondern ein Stachel im Fleische der sozialistischen Volkskörpers. Was sollten die geplagten Kommunisten also mit mir tun? Sie hatten keinen Grund mir zu kündigen. Diesen Grund mussten sie erst schaffen: Ein "Angebot" musste gefunden werden, dass ich ablehnen würde...

So lehnte ich es dankend ab, einer Expedition zum Südpol zu folgen, obwohl das Schiff in Afrika halt machte, wo man vielleicht von Bord hätte springen können, aber diese verschlagenen Genossen würden mich unter Deck einschließen, solange unsozialistisches Land in Sicht wäre... Ich hatte außerdem schon das Grab eines anderen Institutsangehörigen gesehen, der dieser "Einladung" gefolgt war. Es war eine zu offensichtliche Methode der Kommunisten, unbequeme Mitarbeiter in einer Eisspalte am Südpol verschwinden zu lassen. Sein Verschwinden in einer Eisspalte war die offizielle Todesursache, die man glauben konnte - oder auch nicht. Viel naheliegender wäre, dass man ihm den Fangschuss gegeben hatte, als er von Bord gesprungen war.

Einen anderen hatte die Institutsleitung, nachdem er eine Aufsehen erregende theoretische Arbeit über die Sonnenphysik geschrieben hatte (Er hatte bisher als Einziger die Temperatur für die Plasmagleichungen nicht hinterher nur als Störgröße eingeführt, sondern gleich richtig gerechnet gehabt, also mit Geschwindigkeitsverteilungen.) direkt aus dem Institut in eine Nervenklinik einliefern lassen. (Da er mit mir in einem Zimmer sass, hatten sie es vorsorglich an einem Tag gemacht, an dem ich nicht da war.) Er war ein frisch gebackener Doktor der Physik, den die Ärzte nun zu "behandeln" hatten. Sie waren aber gut auf so etwas vorbereitet worden. Die Propaganda und die "kostenlose medizinische Behandlung" wirkten. Er war hinterher tatsächlich nicht mehr von einem Geisteskranken zu unterscheiden. (Die Partei hatte sehr gefährliche neue Diagnosen mit der zu verabreichenden Therapie heraus gegeben, die dazu dienten, die Geheimverträge zu unterlaufen: Jeder der die goldenen Früchte des Sozialismus nicht mag ist geisteskrank und wird entsprechend stationär behandelt werden. In den Verträgen stand nur etwas vom Freikauf von politischen Gefangenen - nicht vom Abkauf von Geisteskranken.) Die Propaganda dazu hatten weitsichtige Genossen (wie mein Vater) schon viele Jahre vorher gemacht gehabt. Es gab sogar ein Theaterstück "Die Physiker" (Alles verrückte Physiker in einer Nervenheilanstalt). Die Parole für das Volk war einfach zu lernen: Physiker = Verrückter.

Was aber würden sie sich nun für mich ausdenken, wo ich doch nun schon einige Tricks kannte?

Der Parteisekretär testete mich, ob ich noch für ihn akzeptabel wäre: Nun denken sie nicht, dass er sich vielleicht ansah, was ich im Institut tat. Das war (siehe mein Vater) nicht verständlich für einen Parteisekretär. Würde ich eine extra Arbeit annehmen? Ich tat. Er beschaffte Zahlenkolonnen vom großen Bruder, der gerade dabei war, eine Rakete nach der anderen in den Raum zu schießen. Nur hinkten die wissenschaftlichen Ergebnisse etwas hinterher, also das, was bei einem solchen Spektakel neben der Propaganda eigentlich heraus kommen sollte. Wir werteten also aus, was die Russen da so gemessen hatten. Einer machte sogar gleich eine neue Theorie, bis sich nach Jahren voller Hingabe herausstellte, dass alles umsonst war, weil sie uns das Wichtigste nicht gegeben hatten. Das war wie immer geheim gewesen. KGB - Offiziere hatten entschieden, was ein Wissenschaftler für seine Arbeit braucht...Für den Propagandarummel reichte es allerdings.

Er hatte aber noch einen anderen Test für mich. Jedesmal, wenn eine sozialistische Persönlichkeit in Schönefeld landete, wollten sie nicht nur die Polizisten am Straßenrand sehen, die man sicherheitshalber vom Flugplatz bis Pankow jedes Mal aufreihte, sondern auch begeisterte winkende Leute, die nun einmal dazu gehörten wie die Sahne zum Kuchen. Also wurden aus allen Betrieben und Büros die Leute an die Straße geschickt - auch ich. (Die Planerfüllung, über die man gerade in manch einem Betrieb ernsthaft zu diskutieren hatte, spielte plötzlich überhaupt keine Rolle mehr) Mein Parteisekretär baute sich provokatorisch hinter mir auf und wartete darauf, dass ich auch winkte - (und wenn er nicht gestorben ist, oder die "DDR" nicht inzwischen untergegangen ist, dann wartet er vielleicht heute noch.). Man könne mich hier unmöglich an "vorderster Front " lassen, wie sich die Institutsleitung auszudrücken pflegte. Mir wurde ein unannehmbarer Vorschlag gemacht. Man wollte mich nach Potsdam in den Einsteinturm versetzen, um in Zukunft jeden Tag die Sonnenflecken zu zählen. (Ich habe nichts gegen den Einsteinturm und gegen die Frauen, die die Sonnenflecken zählen, aber die Sache ging schon aus verkehrstechnischen Gründen einfach nicht.) Nach meiner zwangsläufigen Ablehnung dieser "Qualifizierungsmaßnahme" konnte der Institutsdirektor dann endlich die Kündigung schreiben. (Ein Offizier des SSD schreibt darüber sogar später: "...das Institut hatte falsch gehandelt.")

Dies war für mich nun keine Überraschung mehr. Eine Kündigung hing über mir schon lange wie das Schwert des Damokles. Ich hatte auch schon viele Monate früher darauf reagiert, indem ich allen - auch meinen zukünftigen Arbeitgebern in Westberlin - meine Erfindung im Fernsehen vorstellen wollte. Auf diese kühne Idee brachte mich mein Institutsdirektor Prof. E. A. Lauter, als er gerade im Fernsehen, in der Sendung "Umschau aus Wissenschaft und Technik" über die letzte Marssonde der Russen berichtete. (Er war nach Eduard von Schnitzler der zweit-bekannteste Mann auf der politischen Bühne im Fernsehen von Berlin Adlershof, gleich neben der Akademie.) Okay, es war verrückt, unter den gegebenen Umständen in der damaligen "DDR" überhaupt dran zu denken, dass ein privater Erfinder seine Erfindung im Fernsehen zeigen könnte, das streng zensiert war. Ich stand außerdem auf der Abschussliste und hatte schon keinen Ausweis oder Reisepass mehr. Es war also schon mehr als eine Verzweiflungstat, dem Fernsehen meine Erfindung anzubieten, die nach einheitlicher Meinung der Partei im übrigen nicht funktionierte. Um so mehr war ich überrascht, dass das Fernsehen Interesse zeigte. Als ich an meinem Arbeitsplatz, (zu Hause hatte ich kein Telefon und nie Aussicht eines zu bekommen.) vom Fernsehen angerufen wurde, sass mir ein Fräulein Angelika K. gegenüber. Ich vermutete schon längere Zeit, dass sie ein Spitzel sei. Sie fragte mich nun, mit wem ich am Telefon gesprochen hätte. "Das war das Fernsehen. Sie wollen meine Erfindung zeigen," sagte ich trocken. Jetzt ist alles aus, dachte ich, jetzt rennt sie gleich zu ihren Genossen, die dann die Notbremse ziehen. Sie lächelte mich aber nur mitleidsvoll an. Sie glaubte mir kein Wort und unternahm nichts. Sie wollte sich ja nicht auch noch lächerlich machen. Es genügte ja, wenn ich das tat, ein Spinner, dessen sogenannte "Erfindungen" alle nicht funktionierten. So hatte sie es auf ihren Parteischulungen ja gelernt. Und die Partei, die hat immer Recht! Sie war selbst ein Opfer der Propaganda geworden. Für sie war ich nur ein armer Irrer, dem sie mitleidsvoll zulächelte. Nun fühlte sie sich verarscht, als ich ihr die nackte Wahrheit ins Gesicht sagte. In der vorangehenden Sendung hatte unser gemeinsamer Institutsdirektor, der Genosse Prof. Dr. E.A. Lauter, über eine russische Marssonde gesprochen. Das war ernsthafte Wissenschaft! Im krassen Gegensatz dazu wollte ihr der letzte Mitarbeiter - parteilos und auf der Abschussliste - erzählen, dass man seine "Erfindung" im Fernsehen zeigen würde. Der war also auch reif für das Irrenhaus, dachte sie. Davon wusste man aber offenbar beim Fernsehen nichts - noch nicht. Es ging alles sehr schnell. Sie kamen sofort aus Adlershof zu mir nach Schulzendorf. Sie fragten mich auch zum Glück nicht nach meinem Ausweis.



Das Fernsehteam aus Berlin-Adlershof bei mir in Schulzendorf.

Sie warteten nur noch darauf, dass die Sonne raus kam, damit sie mit den Aufnahmen beginnen konnten. Sie machten Aufnahmen für eine kurze Vorschau auf eine spätere Reportage. Trotzdem war praktisch schon alles zu sehen: mein Patent, mein Modell, meine Drehkolbenmaschine innen, und dann als Wasserpumpe.

Wie man auf dem Bild auch erkennen kann, war in dem gegenüberliegenden Grundstück eine kleine unbewohnte Laube errichtet worden. Es war ein Beobachtungsposten des SSD. Ich war deshalb etwas besorgt, hatte aber Glück. Er war an diesem Tage unbesetzt. Man hatte diesen Beobachtungsstand eingerichtet, als ich öfter Besuch von der "Ständigen Vertretung" bekam und ein Mercedes mit Diplomaten-Kennzeichen öfters vor meiner Tür stand. In dem Grundstück rechts daneben wohnte ein Polizist (Wachs), der sich aber um diese Aktivitäten aber überhaupt nicht kümmerte.

Meine Wasserpumpe für Hauswasseranlagen zeigte so gute Leistungen, dass sie gleichzeitig für einen Kompressor gehalten wurde.

 

Zuerst demonstrierte ich, dass diese Wasserpumpe für eine Hauswasseranlage genügend hohen Druck erzeugen konnte. Dann demonstrierte ich das ungewöhnlich gute Ansaugvermögen dieser Wasserpumpe, indem ich am Einlass ein Vakuummeter anschloss. Das erzeugte Vakuum lag bei 25 Torr, was praktisch schon die theoretische Grenze für Wasser war, weil es dann bei Zimmertemperatur schon kocht.

Hier steht das angeschlossene Vakuummeter auf 25 Torr. Das ist ein so gutes Ansaugvermögen für eine Wasserpumpe, dass sie von vielen mit einer Vakuumpumpe verwechselt wurde.

 

Als Zugabe wollte ich ihnen noch zeigen, dass man mit meiner Wasserpumpe auch schon mal einen Reifen aufpumpen kann, wenn man gerade keinen Kompressor zur Hand hat. Das war für viele unglaubhaft.

Später hörte ich, dass viele glaubten, ich hätte drei verschiedene Maschinen vorgeführt gehabt. Nein - es war jedes Mal das gleiche Modell einer einfachen Wasserpumpe für Hauswasseranlagen - nicht mehr und nicht weniger. Das nächste Mal wollte ich dann meinen Motor zeigen, falls es dieses nächste Mal geben sollte. Das Team war jedenfalls begeistert. Das hatten sie noch nie gesehen. Der Kraftfahrer hatte sich gewehrt, die Luft abzulassen. Mit einer Wasserpumpe könne man keine Luft pumpen, hatte er gesagt.



Hier ist zu sehen, wie ich mit meiner Wasserpumpe einen Reifen des Barkas vom Fernsehteam aufpumpe.

Im Hintergrund mein P70.

 

Einige kurze Ausschnitte von diesen Aufnahmen wurden als Vorschau auf die kommende Reportage in die laufende und schon zensierte Sendung, noch schnell hineingeschnitten. Sie sollte am nächsten Tag schon gesendet werden. Die hohen Genossen bekamen diesen Clip nicht mehr vor der Sendung zu sehen. Man hatte sie ausgetrickst. So wurde diese Fernsehsendung ein Novum in der Fernsehgeschichte der "DDR".

Herr Otto Dienelt moderierte die Sendung "Umschau aus Wissenschaft und Technik" am 26. November 1975 19°° Uhr im "DDR"- Fernsehen I (Meine Kündigung erhielt ich zum Jahresende.)

In diesem kurzen Videoclip war viel zu sehen: ich, mein Patent, mein Holzmodell, mein Funktionsmodell innen, dann als Wasserpumpe, an einem Vakuummeter und beim Aufpumpen eines Autoreifens.

Hier ist der original Clip von 1975

Einige Genossen trauten ihren Augen nicht, als sie mich am nächsten Tag im Fernsehen sahen - und dann noch mit einer Erfindung, die offensichtlich doch funktionierte. Sie mußten sogar zähneknirschend Wiederholungen hinnehmen, weil dieser Beitrag von den Zuschauern im "Telelotto" wiedergewählt wurde. Sie konnten nicht einmal öffentlich zugeben, dass so etwas verboten war. Dann hätten viele, die noch nicht wussten was Sozialismus wirklich bedeutete, gefragt: "Warum ist das Erfinden einer Drehkolbenmaschine staatsgefährdend?" Die Antwort auf diese Frage hätte nur der SSD geben können, dieser aber redet nie - jedenfalls nie offen und ehrlich. Die Sache musste unter allen Umständen totgeschwiegen werden. Wenn das Schule machte! Dann würde ja am Ende jeder daherkommen und etwas erfinden. Wo würden wir denn da hin kommen, schlugen die irritierten Genossen die Hände über dem Kopf zusammen.

Gleich nach der Sendung hat natürlich niemand mehr von einer Reportage gesprochen. "Wir wollen schon...", hatten sie mir am Telefon gesagt. Mehr durften sie auch nicht sagen. Jemand hatte es ihnen verboten - jemand, der nicht genannt werden wollte. Der SSD fürchtete die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser. Der SSD hatte dem Fernsehen ein strenges Verbot auferlegt, auch nur irgend etwas über meine Erfindungen zu zeigen. Das Eigenartige daran ist nur, dass sich die gesamte Welt heute noch an dieses Verbot hält.

Innerhalb ihrer eigenen Logik hatten die Kommunisten natürlich sogar Recht, der Bevölkerung Erfindungen vorzuenthalten. "Das würde viele Bürger der DDR nur unzufriedener mit bestehenden Produkten machen", sagten sie. Also müssen nach ihrer Lehre, die sie Marxismus-Leninismus nannten, schon Informationen über Erfindungen unterdrückt werden. Potentielle Erfinder müssen mundtot gemacht werden. Jeglicher Fortschritt war im Keime zu ersticken. Das ausführende Organ war - wie bei allen, den Sozialismus betreffenden Dingen - der allmächtige SSD, für den es keinerlei Beschränkungen gab. Wo diese Genossen auftauchten waren sofort sämtliche Gesetze aufgehoben. Jeder hatte sich nur noch blind ihren Befehlen und Anordnungen zu unterwerfen. Das klappte auch bei allen Beamten, Anwälten etc. Mit Physikern, die ihr eigenes Gehirn benutzten, hatten sie ein besonderes Problem, das sie zuerst durch Hausarrest, dann durch Abschiebungen in Nervenheilanstalten und schließlich durch ihre althergebrachte und bewährteste Methode - durch Mord - zu lösen versuchten.

Tatsächlich war die Sache mit der Fernsehsendung nur ein letztes Aufbäumen gewesen - ein stiller Aufschrei in dem aussichtlosen Kampf eines Mannes, der nichts weiter wollte, als das Recht, etwas Nützliches erfinden zu dürfen.

Da dieser Clip nun mehrmals gezeigt wurde, meldeten sich zwangsläufig viele interessierte Betriebe.



Ein Vertreter des VEB-Nagema bei Messungen an meiner Pumpe

 

Einer testete, ob man meine Pumpe auch zu Dosierzwecken verwenden könne. Man konnte. (Das heißt aber nicht, dass daraus etwas wurde. Ob und was ein VEB-Betrieb produzierte bestimmte allein der SSD) Ein anderer Betrieb wollte heiße Suppen pumpen. Wir testeten meine Pumpe. Sie pumpte problemlos Mayonnaise und Fleischsalat, wobei sie - im Gegensatz zu anderen Pumpen - alles trocken ansaugte.



Meine Wasserpumpe beim Pumpen von Fleischsalat.



Das Reinigen erfolgte einfach durch Pumpen von heißem Wasser.

 

Es gab einige Leute, die eine Suppenpumpe haben wollten und mir einen Honorarvertrag anboten. Was soll`s, wenn ich davon leben kann, entwickle ich eben eine Suppenpumpe - einfach das, was man haben will. Da man meine Pumpe auch aus Steinzeug oder Keramik herstellen kann, wollte man im VEB-Steinzeugwerk eine Säurepumpe bauen, woanders Wasserpumpen, Siruppumpen, eine Pumpe für Scheibenwaschanlagen und kleine Vakuum-Verdichter. Es gab offensichtlich noch eine Menge unzureichend gelöster Pumpenprobleme - Glück für einen Erfinder. Meine Zukunft schien gesichert. Ich hatte so viele Entwicklungsaufträge, dass ich einen Betrieb hätte gründen können. Warum nicht? Ich versuchte es und landete - nachdem ich wieder eine zeitlang von den Beamten im Kreis herum geschickt worden war - beim Kreisgericht in Königs-Wusterhausen. Ein Richter namens Wilde rückte mich wieder gerade und warf mich anschließend achtkantig raus. Es sei alles verboten, was ich da vor hätte. Wo käme der Sozialismus hin, wenn jeder etwas erfinden - und dann damit noch einen eigenen Betrieb gründen wollte! Wenn also alles verboten sei, könne er mir dann helfen, dort hin zu gehen wo es gestattet ist? E r warf mich achtkantig raus. Irgendwie hatte ich das Gefühl, das wir uns wiedersehen würden...

Ich versuchte es auch noch einmal beim für alle Pumpenprobleme zuständige Kombinat für Pumpen und Verdichter. Ein Ingenieur Grabow, den ich schon vor vielen Jahren angesprochen hatte und der inzwischen Professor geworden war, sah keine Zukunft mehr in mechanischen Systemen. Er wollte eine sogenannte "trägheitslose" Pumpe ohne jegliche bewegte Teile. Das wäre die Zukunft, dafür wäre auch Geld da. Das war eine Herausforderung für mich, weil erstmals das Wort "Geld" gefallen war! Ich ließ alle meine Projekte liegen und dachte mir eine elektromagnetische Wasserpumpe aus. Ich hatte ja Magneto-Hydrodynamik gelernt. Jetzt wendete ich sie an. Ich grübelte, rechnete und baute in kurzer Zeit ein Funktionsmodell zusammen. Es funktionierte auf Anhieb, aber noch besser mit Salzwasser. Man muß sich das so vorstellen. Die Wasser-Ionen sind im Vergleich mit Natrium- und Chlor-Ionen viel kleiner, haben außerdem einen verzwickten Dipolcharakter... - aber das würde zu weit führen. Am Ende ziehen die Salz-Ionen wie große Klumpen die kleineren mit. (Die Japaner, die mit einem ähnlichen Prinzip später ein Schiff antrieben, merkten diesen Effekt auch. In der Nähe von Flussmündungen verlor ihr Antrieb an Kraft, weil der Salzgehalt des Wassers geringer wurde.)

Ich rief nun Prof. Grabow an, dass ich ein Funktionsmodell einer elektromagnetischen Wasserpumpe hätte. Das interessierte ihn so sehr, dass er gleich am nächsten Tag zu mir kam und sich die Sache in meiner Garage ansah. Er war zufrieden und wollte mit mir eine Entwicklung beginnen. Er war aber nicht alleine gekommen. Er hatte jemanden mitgebracht bzw. mitbringen müssen, der zu allem nichts sagte. Er sagte auch nicht, wen oder was er repräsentiere, das war auch gar nicht nötig; jeder erfahrene "DDR"- Bürger wusste das. Das Kombinat P u V fragte meinen Institutsdirektor Herrn Prof. Dr. E. A. Lauter, den Vater aller Dinge, um Erlaubnis, ob sie mit mir zusammen arbeiten durften. Für meinen Institutsdirektor war das ein Grund mehr, mir zu kündigen. Ab Januar 1976 war ich also für andere Betriebe frei.

Wie der aufmerksame Leser nun schon vermutet, wurde aus allen angefangenen Projekten nichts, obwohl einige Betriebe schon wollten. Trotz der gegebenen Möglichkeiten und des Interesses der Industrie durfte mich niemand mehr einstellen. Eine unsichtbare Macht verhinderte wieder alles.

Der Kampf zwischen mir und den dunklen Mächten, die den Fortschritt verhindern wollten, spitzte sich zu. Je besser meine Erfindungen wurden, je mehr ich mich anstrengte, sie zu vermarkten, umso mehr wurde meine Arbeit sabotiert.

- Das sollte auch so bleiben. -

Da es in der DDR keine "Arbeitslosen" gab, bekam ich natürlich auch keinerlei Unterstützung. Jedes Einstellungsgespräch wurde abrupt abgebrochen, wenn ich meinen "PM12"anstelle eines Personalausweises zeigen mußte. (Es war das Erkennungsdokument für alle staatsgefährdenden Subjekte - solchen wie mich.) Wenn man einmal auf der Schwarzen Liste steht, kann man nur noch das Land verlassen. Jetzt blieb mir gar kein anderer Ausweg mehr; ich mußte hier weg, ob ich wollte oder nicht, ob meine Frau, meine Kinder wollten oder nicht. Es scheint ein Naturgesetz zu sein, wenn man ein Volk brutal unterjocht, muß man die Daumenschrauben ständig fester ziehen, was irgendwann allerdings auch ein Ende hat. So lange wollte ich aber nicht warten. Für mich gab es nun kein zurück mehr. Ach ja, da war noch das Problem mit der Mauer, besonders wenn man mit kleinen Kindern weg wollte. Ich fragte im Haus des zuständigen Anwaltes und Pressesprechers des SSD Dr. Vogel nach, ob man mir helfen könne. Nur wenn ich ein Ermittlungsverfahren hätte, bekam ich zur Antwort. Das sollte eigentlich nicht so schwer in der DDR zu bekommen sein, dachte ich. Andererseits hatte ich ja keines bekommen, als ich von der Polizei schon verhaftet worden war. Vielleicht war ich nicht an der richtigen Stelle gewesen. Ich ging zum Gericht und beantragte ein Ermittlungsverfahren für mich, dafür gab es aber keine Formulare - und das im Lande der unbegrenzten Formulare! Die Angesprochenen guckten mich alle nur dumm an. Ich musste aufpassen, dass sie mich nicht dort hin brachten, wo noch Platz war und mein Kollege schon war - ins Irrenhaus.

Eigentlich gab es mich schon nicht mehr. Ich hatte keine Arbeit, war aber kein existierender Arbeitsloser, weil es Arbeitslose in der damaligen "DDR" a priori nicht gab. (Manche erzählen das heute noch.) Das Arbeitsamt, das nur ein "Amt für Arbeit" war, vermittelte mich also nicht, weil es mich gar nicht gab.

Ich hatte einmal einen Alptraum, dass mein Name auf der Schwarzen Liste - und ich mit meinen Erfindungen auf der Straße stehe und sich keine Tür mehr für mich öffnet.

- Die Kommunisten machten meinen Traum wahr. -

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