Meine erste Erfindung

Als ich im Motorenwerk Johannisthal in Berlin anfing, war der SSD gerade dabei, es zu zerstören. Dieselmotoren für Dieselloks sollten nicht mehr gebaut werden. Da Dieselmotoren nicht fliegen, kann man sie auch nicht abstürzen lassen. Deshalb mussten die Kommunisten hier ihre destruktive Gewalt offen zeigen. Die Russen kamen, nahmen alle Unterlagen der neu entwickelten Dieselmotors mit und ließen die Ingenieure ohne Arbeit sitzen. Die zwei Prototypen der neuen Lok verschwanden. Der ganze Betrieb hatte nun nichts mehr zu tun. Insofern konnte der Zeitpunkt eigentlich für mich nicht besser sein, ihnen eine neue Produktidee auf den Tisch zu legen. Ich arbeitete an einem neuen Zweitaktmotor, der genau in die Landschaft passte. Da uns die Russen den Bau von Viertaktern verboten hatten, wollte ich ihnen ein Schnippchen schlagen und einen Zweitakter erfinden, der dem Viertakter Konkurrenz machen konnte, vielleicht sogar besser war. Er sollte in die Motorräder und in den knatternden Trabant eingebaut werden, der z. Z. eine wandelnde Blamage war und bei dem der Motor bei jeder Umdrehung nach Hilfe schrie. Von einem neuen Motor wollte aber keiner mehr etwas wissen. Ich hatte den Eindruck, dass dies von vornherein verboten war, was nur nicht gesagt werden durfte. Aber ein Verdichter würde ins Programm passen wurde mir angedeutet. Warum nicht; ich erfinde alles was Geld bringt, sagte ich mir und legte ihnen den Vorschlag bald auf den Tisch. Schließlich ging es am Ende darum, eine Familie ernähren zu können, was mit meinem Gehalt einfach nicht möglich war. Tatsächlich begannen wir (die Konstruktionsabteilung und ich) gemeinsam die Konstruktion eines Verdichters nach einem von mir erfundenem Prinzip. Hier ist die erste Zeichnung.


Mein erster Verdichter 1968. Ein schräg abgeschnittener Kolben rotiert in einem zylindrischen Gehäuse. Ein auf seiner schrägen Deckfläche gleitender Schieber teilt den Raum über dem Kolben in zwei Arbeitsräume.

Diese Erfindung wurde nie gebaut.

 

Ich machte mich an die Arbeit. Eigenartig war nur eines, je bekannter dieses neue Projekt im Betrieb wurde, um so langsamer ging es, bis überhaupt nicht mehr drüber gesprochen werden durfte. Was ging hier vor sich? Taugte mein Vorschlag nichts? Das hätte man mir offen sagen können. Das war es offenbar nicht. Es war wieder etwas - und das war typisch für diese Zeiten - über das nicht gesprochen werden durfte. Die Konstrukteure hatten alle Sprechverbot bekommen. Keiner durfte mehr mit mir reden. Diese Methode kannte ich ja schon und wusste auch woher sie kam. Unfassbar war und ist für mich nur die Tatsache, dass alle Menschen ihr so einfach folgen...

Ich sass nun rum, hatte dies und das zu tun, jedenfalls nichts von bleibendem Wert.

Ich hatte keine Ahnung, dass in den USA an dem gleichen Prinzip gearbeitet wurde. Die Maschine aus der US-Patentschrift Nr. 3 438 333 von 1967

 

Man erkennt in beiden Fällen den grossen halbkreisförmigen Schieber, was ein Fehler war.

Ich hatte mein Patent 1966 angemeldet. Ein Jahr später wurde in den USA ein Patent - nein gleich zwei für praktisch das gleiche Prinzip angemeldet. Merkwürdig ist, dass ein Fehler, den ich bei der ersten Konstruktion gemacht hatte, auch dort enthalten ist.

 

Links: Meine Maschine nach meiner Patentschrift Nr. 59 433 von 1966.

Rechts: Die Maschine in der US-Patentschrift Nr. 3 438 333 von 1967.

Video

 

Die Ähnlichkeit ist sicherlich auch für Laien erkennbar. Es ist in beiden Fällen das gleiche Verdrängerprinzip mit einem auf einem Zylinderhuf gleitenden Schieber. (Ich hatte später ein Loch in die Mitte gemacht, weil sich herausgestellt hatte, dass längs des immer balligen Schiebers über die Mitte ein Blasloch war. Dies hätte jeder gemerkt, der so eine Maschine gebaut hätte.)

Von dieser verblüffenden Ähnlichkeit, die - das muß man dem Anmelder zugestehen - auch rein zufällig sein kann, wusste ich damals noch nichts. US-Patente waren mir in der DDR nicht zugänglich, dafür hatte man sicherheitshalber eine Mauer gezogen.

Die Genossen rechneten nicht damit, dass ich fähig war auch ohne die Konstruktionsabteilung weiter zu machen. Ich konnte ohne offizielle Aufträge die Dreher und Fräser motivieren mal ein Teil für was Neues zu machen. Wenn nicht, überließen sie mir ihre Maschinen zum Feierabend. Am Wochenende hatte ich den gesamten Maschinenpark für mich alleine. (Eine so gute Gelegenheit sollte ich in meinem ganzen Leben nicht mehr bekommen.) Das ging immer gut und fiel nie auf. Ich machte auch nie etwas kaputt und putzte gründlich. (Im übrigen war es üblich, dass jeder Privatarbeit machte, weil es ja keine Ersatzteile zu kaufen gab. Diese Teile wurden meistens aus dem Vollen gemacht und waren am Ende 100 mal so teuer wie ein gekauftes Teil. Dies war ein untrügliches Zeichen dafür, dass man in einer sozialistischen Gesellschaft war, denn jeder normale Betrieb wäre bei dieser Arbeitsweise sofort pleite.) Auf diese Weise habe ich einige neue Maschinen gebaut und sie auch heimlich laufen lassen. Nicht alles funktionierte wie geplant, aber ich korrigierte meine Fehler schnell und gründlich.

Jemand sagte zu mir, dass man eine neue Hydraulikpumpe suchte, die keine Pulsationen haben sollte etc. Also erfand und baute ich eine.

Meine erste Hydraulikpumpe mit vier zwangsgesteuerten Schiebern zwischen 2 äquidistanten, rotierenden Flächen.

Diese gekrümmten Flächen bestehen aus Geraden durch den Mittelpunkt. (Vgl. mit der mathematischen Sattelfläche.) (Diese Teile habe ich auf einer einfachen Drehbank gemacht.)

Diese Pumpe hatte keine Pulsationen mehr. Sie hatte 4 zwangsgesteuerte Schieber zwischen zwei äquidistanten Stirnflächen. Axial waren die hohen Axialkräfte durch 2 jeweils symmetrische Arbeitsräume ausgeglichen. Kurz, sie hatte alles was gewünscht worden war. Als ich sie fertig hatte, war aber seltsamerweise kein Interesse mehr da. Ja selbst die Versuche musste ich zu Hause in einer Ecke im Wohnzimmer machen, was mir den ersten Streit mit meiner Schwiegermutter einbrachte.

Die Sache war schon vergessen und ich arbeitete an was Neuem, da gab mir jemand einen Artikel in einer Fachzeitschrift, wo die Firma Krupp genau das gleiche Pumpenprinzip vorstellte. Na ja, dachte ich, da war ich wenigstens auf dem richtigen Weg gewesen. Dass ich meine Pumpe im Betrieb nicht mehr zeigen durfte, weil inzwischen jemand meine Idee an die Firma Krupp verkauft hatte, fiel mir nicht mal im Traume ein. Ich war so mit meinen Entwicklungen beschäftigt und glaubte im Übrigen an das Gute im Menschen, sodass ich überhaupt nicht wahrnahm, was um mich herum geschah. (Jemand stahl systematisch meine Ideen und verkaufte sie im Westen! Die Beweise dafür habe ich allerdings erst viele Jahre später in den USA gefunden. Nur ganz wenige in der Welt wissen davon und sind zum Schweigen verpflichtet; andere sind zum Schweigen "veranlasst". Diese Methode, die ich hier an einem Beispiel gezeigt habe, zog sich durch mein ganzes Leben. Welche Verbrecherorganisation - außer dem SSD - war in der Lage systematisch Erfindungen zu stehlen und zu vermarkten?)


Das organisierte Verbrechen in der ehemaligen "DDR"

Der SSD "importierte" Technologie aus dem Ausland, indem er stahl, was er stehlen konnte. Das weiß ja jeder, aber tat er es auch in umgekehrter Richtung? "Exportierte" er heimlich Technologie aus der DDR in andere Länder? Tatsache war, dass die Erfinder hinter dem eisernen Vorhang, sofern sie es überhaupt noch gab, nicht raus konnten und von allen Informationsquellen abgeschnitten waren; also gar nicht wissen konnten, was in der Welt geschah, wer was erfand und patentierte. Tatsache war ebenfalls, dass in den richtigen Patentämtern die sogenannten DDR-Patente gar nicht angefasst wurden. Man erkennt es daran, dass die einzelnen Seiten noch zusammenkleben, weil man beim Schneiden stumpfe Messer verwendet hatte. Damit war der Weg für sie geebnet - für ein perfektes Verbrechen. Warum sollten sie also nicht? Es waren ja die bestgeschultesten Kriminellen, die das, was andere Geheimdienste vielleicht in Einzelfällen machten, auf das gesamte Volk anwendeten. Niemand war da, der sie stoppte. Jeder offizielle Beamte war nur noch eine Marionette, sobald einer von ihnen die Tür auf machte. Ihr Tun war auch immer gut getarnt. Alles spielte sich hinter einem täglichen Schwall von Propaganda und einem "Antifaschistischen Schutzwall" ab. Keiner konnte hinter die Kulissen - ihnen auf die Finger sehen. Der SSD beschäftigte geschulte Genossen, die in der DDR nach verkaufsfähigen Technologien Ausschau zu halten hatten. Hatten sie etwas, wurde in der freien Welt ein geeigneter "Patentanmelder" gesucht. Das war nie schwer, denn er wurde jedesmal gut dafür bezahlt, und kam manchmal sogar als Erfinder in die Medien. Mittels Scheinfirmen und einer Reihe von dem SSD anhaftenden Tricks verkauften sie dann diese Erfindung und verdienten Millionen damit. Das funktionierte natürlich nur, wenn die wirklichen Erfinder in der DDR nicht anfingen, ihre Erfindungen selber zu bauen und dann noch im Fernsehen zeigten, was unter Umständen auch in Westberlin gesehen wurde.

Was der SSD* tat war kriminell oder ein heimlicher Rückfall in die Sklavenhaltergesellschaft, Wissenschaftler in der DDR waren a priori Leibeigene. Ihre Produkte gehörten der Arbeiter- und Bauernklasse, also der Partei der Arbeiter und Bauern, der SED mit dem SSD als Speerspitze oder dem "ausführendes Organ". Die Offiziere des SSD saßen direkt an der Geldquelle und besitzen heute die schönsten Häuser überall in der Welt.

Die DDR hing technologisch am Tropf. Sie wurde nur so weit durch neue Technologien am Leben erhalten, wie sie das organisierte Verbrechen, der SSD aus dem Westen "mitbrachte." Ich wollte das damals einfach nicht glauben. Leute wie mich, die eigene Ideen verwirklichen wollten, hatten einfach keine Chance. Sie wurden aus der Gesellschaft hinausgedrängt und als Außenseiter, Querulanten abgestempelt, was nur noch ein kleiner Schritt zu einem "Staatsfeind" war. Dabei vergaßen sie prompt, dass sie bei allem, was sie gegen einen Erfinder auch unternahmen, Erfindungen anderer Erfinder in Anspruch nahmen.

* SSD - Staatssicherheitsdienst (Stasi. MfS): Eine staatlich organisierte Verbrecherbande, die nach dem 2. Weltkrieg in dem von den Russen besetzten Deutschland nach dem Vorbild des KGB geschaffen wurde und die Aufgabe hatte, das Land für die Dauer der fünfzigjährigen Besetzung in ein gigantisches Kriegsgefangenenlager umzuwandeln.

 

Das Ende des Motorenwerkes

Das Motorenwerk gab es nun nicht mehr. Es war gleichzeitig das Ende meiner ersten Erfindung - ich wollte es nur noch nicht glauben. Ich hatte den Sozialismus immer noch nicht verstanden. Die Lektion der Kommunisten war einfach: Im Kapitalismus entstehen Betriebe, im Sozialismus werden sie zerstört. Im Kapitalismus werden aus Ideen Produkte gemacht, im Sozialismus werden aus Ideen Probleme - aus einem Erfinder ein Klassenfeind gemacht. Wir wurden dem VEB-Kühlautomat angegliedert. Ich machte sofort den Vorschlag eines Kältemittelverdichters .

Dieser Vorschlag eines Verdichters wäre auch heute noch eine Konkurrenz zum Schraubenverdichter. Zwangsgesteuerte Schieber bewegen sich in einem Rotor axial zwischen equidistanten Ebenen.

Diese Erfindung wurde nie gebaut.

 

Man suchte einen Verdichter, hatte aber schon zwei Schraubenverdichter aus dem Westen "besorgt," die man einfach nachbaute. Sie waren nie so gut wie das Original, aber danach fragte keiner. Dafür sparte man ja bei der Lizenzgebühr. Für eigene Entwicklungen war kein Raum. Man plante immer von einem Parteitag zum anderen und machte immer nur das, was auf dem letzten Parteitag beschlossen wurde. Eigene Entwicklungen oder gar Erfindungen standen nie im Parteiprogramm, also hatte es sie auch nicht zu geben. Wer anders dachte untergrub die Autorität der Partei. Letzteres konnte für die eigene Gesundheit schädlich sein. Mein "Neuerervorschlag" (Das Wort "Erfinder" gab es nicht mehr) landete automatisch bei der Konfliktkommission. Wer als Erfinder nicht sofort aufgab wurde wie ein zappelnder Fisch an der Angel behandelt. Es wurde nur noch Papier vollgeschrieben - mich ließ man zappeln, so lange, bis auch ich - als hartnäckig bekannt - auch aufgab.

Da ich dort, wo ich war, offenbar keine Chance hatte, verließ ich auch diesen Betrieb. Man hatte mir nicht gekündigt, aber ich wollte nicht einer derjenigen in der damaligen "DDR" werden, die mit einem geschäftigen Blick und Akten unterm Arm den ganzen Tag durch den Betrieb liefen, und nichts Produktives zu tun hatten.

Ich arbeitete nun am Heinrich Hertz Institut (Institut für solar-terrestrische Physik) in Berlin Adlershof, auf dem Gelände der Akademie der Wissenschaften, direkt neben dem Gelände des Fernsehens. (Es war damals von Weitem durch ein großes Radioteleskop zu erkennen - ein Wahrzeichen von Berlin Adlershof, das später abgerissen wurde.) Ich war einer der letzten Wissenschaftler, die nicht in der Partei waren und trotzdem eingestellt wurde. Jemand hatte bei meiner Einstellung offenbar nicht aufgepasst. (Der Institutsdirektor war gerade in Indien oder sonst wo.) Es gab nur noch einen anderen parteilosen Physiker an diesem Institut, den die Institutsleitung aber bald in eine Irrenanstalt einliefern ließ. " Der Institutsdirektor, der berühmte Prof. Dr. E. A. Lauter, der neben Karl Eduart von Schnitzler auch öfters im Fernsehen auftauchte, sagte, als er bei einer Feierlichkeit ein Sektglas in der Hand hatte, "sie sind hier an der vordersten Front der Wissenschaft, aber es warten draußen 10 andere schon auf ihren Arbeitsplatz." Fast war es mir, dass er mich dabei in der Menge angeschaut hatte. Es fuhr mir kalt den Rücken runter, als ich den Sekt schlürfte. Hatte er mich aufs Korn genommen? Er hatte. Dabei war ich zu dieser Zeit in der Menge untergetaucht, durch nichts aufgefallen. Ich war "angeklappt", wie es in der DDR-Sprache hieß. Hatte er vielleicht Besuch von meinem Vater gehabt? Sie waren ja Parteifreunde, das verband sie über alles Andere hinweg. Parteifreundschaft unter "Wahren Genossen" geht über alles auch über Verwandte. Wir hatten uns an diesem Institut mit der Radiostrahlung der Sonne und mit Infraschall und Schwerewellen zu befassen. Letztere konnten wir leider nicht beobachten, da wir nicht zu ihnen hinfahren durften. Wenn der Wind über ein großes Gebirge streift, kann man manchmal wellenförmige Erscheinungen in den Wolken erkennen. Analog der Wellen auf dem Wasser, gibt es auch Wellen sehr niedriger Frequenz (nur einige Hertz) in der Luft, die man manchmal sehen kann.


Schwerewellen vor den Alpen

Später - in Freiheit - habe ich solche Erscheinungen zufällig gesehen.

 

Schwerewellen über den Anden.

Dieses Bild hatte ich auf einem Flug nach Gran Canaria aus dem Flugzeug aufgenommen.

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