Die Falle schnappt zu
Nachdem der Erfinder bei der Knorr-Bremse AG in München angekommen war, hatten wir ihn nun in der Hand. Der Erfinder sollte alle seine Erfindungen preisgeben, besonders diejenigen, die er bei seinen langen Vernehmungen in Potsdam dem Genossen Wagner vorenthalten hatte. Das war schon alles, was er bei der Knorr-Bremse AG zu tun hatte. Es war nie vorgesehen, seine Erfindungen entwickeln zu lassen.
Genosse Dr. Schelle bekam die Aufgabe, die Vernehmungen von Hauptmann Wagner über seine Erfindungen fortzuführen, besonders über seine "Fliegende Untertasse". Außerdem sollte er die Namen der potentiellen Lizenznehmer ermitteln.
Sobald sich die Vernehmungen des Erfinders erschöpft hätten, würden andere Genossen ihm das Problem des Erfinders aus den Händen nehmen, wurde Genosse Dr. Schelle beruhigt, der ängstlich war, seinen luxuriösen Lebensstil zu verlieren.
Der Erfinder wurde in sein Vorzimmer bei der Kollegin und Genossin Mariella Bures geb. Ryvolova untergebracht. Sie sollte sich mit ihm anfreunden und ihn unter Kontrolle halten. Als erstes hatte sie ihn in das für ihn vorbereitete Haus in Olching/Esting zu dirigieren. Die Familie Schabenberger in Olching/Esting besaß Reihenhäuser auf ihrem Bauernhof und hatte Platz für das Opfer gemacht. Sie taten außerdem gute Dienste beim Überwachen des Erfinders. Die Abhörung seines Telefons übernahmen die Genossen Norbert und Sibylle Weber, die drei Tage vor dem Erfinder in das angrenzende Reihenhaus eingezogen waren.
Als klar wurde, dass Genossin Bures ihn nicht verführen konnte, wurde ihm Genossin Adams wieder nachgeschickt.
In dem nahe gelegenen Tennisclub Gernlinden wartete eine andere Mannschaft des SSD auf den Erfinder.
Egal wo er Kontakt zu Menschen suchte; wir waren jetzt überall zur Stelle. Es gab nun keine Lücken mehr in seiner Überwachung. So
lückenlos haben wir ihn nicht einmal in der DDR überwachen können. Die Arbeit der Genossen war eines Lenin Ordens würdig.
Im September 1979 begann ich bei der Knorr-Bremse GmbH und dachte, ich könne - wie versprochen - sofort mit der Entwicklung und dem Bau eines ölfreien Verdichters beginnen. Ich hoffte, dass dies der Betrieb sei, mit dem ich zusammen eine Erfindung nach der anderen auf den Markt bringen könnte.
Eigenartigerweise fand ich aber niemanden, mit dem ich zusammen die ersten Teile fertigen konnte. Ich durfte überhaupt nicht in den Werkzeugbau rein. Dieser war total abgeschottet. Bei den Ingenieuren fand ich keinen einzigen, der überhaupt Interesse an meinen Erfindungen hatte. Sie schien so, dass sie mit mir überhaupt nicht reden durften.
Dafür hatte ich einen erstaunlichen Erfolg bei meiner Wohnungssuche, obwohl ich schon gehört hatte, dass es in München äußerst schwierig war, etwas zu finden. Wenn es einmal etwas gab, standen nicht selten gleich 100 Bewerber vor der Tür.
Eine nette Kollegin, Frau Bures, die mit mir das Zimmer teilte, legte mir genau das Richtige auf den Tisch. Sie zeigte mir in der
Süddeutschen Zeitung vom 5.9.1979 die folgende Annonce (Anhang 18
): Olching/Esting RH, 4Zi., ab sofort, DM 800,-; Imm. Colombini...
Ich rief dort an, es antwortete aber nur eine Maschine. Dann müsse ich sofort hinfahren, sagte sie, und breitete eine Karte aus, um mir den Weg zu
zeigen. Sie dachte offenbar an alles. Ich konnte es nicht verfehlen. Der Wohnungsmakler Colombini hatte, wie er mir jedenfalls sagte, nur noch ein
einziges Angebot, wo er mich aber prompt hinschickte. Ein alter Mann namens Jakob Schabenberger schien mich schon zu erwarten und versprach mir
sofort sein Reihenhaus, das in Olching/Esting direkt auf seinem Bauernhof gelegen war.
Das ist aber einfach, in München eine Wohnung, oder was noch besser war, gleich ein leerstehendes Reihenhaus zu bekommen, dachte ich - und dazu noch genau das, was ich suchte. Es war, als hätte jemand den roten Teppich für mich ausgerollt (- man hatte.)
Das Haus lag außerhalb der Stadt München in einer offenbar ruhigen ländlichen Gegend. Da ich keinen Lärm vertrage, achtete ich darauf, dass das Haus nicht zu dicht an der Straße war, was für mich die einzige denkbare Lärmquelle war. Der Straßenlärm kam nur noch sehr gedämpft herüber, weil das alte Bauernhaus der Schabenbergers dazwischen lag. Eine Garage hatte ich zwar nicht, aber einen Keller, den ich als Werkstatt benutzen konnte. Die Miete war, verglichen mit allen anderen Angeboten, sehr niedrig. Durch die nahe gelegene Autobahn kam ich schnell nach München rein. Überglücklich über meinen schnellen Erfolg, zog ich sofort ein. Den Vormieter habe ich nie gesehen. Ich machte mir keine Gedanken darüber, warum er ausgezogen - oder rausgeflogen war. Natürlich sah es fast so aus, als ob alle nur auf mich gewartet hätten. Aber wer denkt schon nach, wenn ihm gerade die gebratenen Hühner direkt ins Maul fliegen?
Ahnungslos wie ich war, nahm ich alles, so wie es mir geboten wurde. Ich merkte nichts, außerdem glaube ich immer an das Gute im Menschen - wenigstens so lange, bis man mich vom Gegenteil überzeugt.
Wenn ich bei der Knorr-Bremse aus irgendeinem Grunde (ich hatte diesbezüglich immer noch ein ungutes Gefühl) nicht meine Experimente machen konnte, hätte ich jetzt meinen eigenen Keller, wo mich niemand mehr stoppen konnte, das zu bauen, was ich wollte, die Experimente zu machen, die ich wollte. Ich bin Wissenschaftler und habe gelernt, dass ein einziges Experiment, also ein Zwiegespräch mit Mutter Natur, mehr Gewicht haben kann, als alle bisher gesprochenen oder geschriebenen Worte.
Da könne draußen passieren, was da wolle; das interessierte mich nicht - die Nachbarn oder der alte Bauer mit eingeschlossen.
Hier sass ich in der Falle - ich wußte es nur noch nicht.
Als wir den Mietvertrag machten merkte ich, dass der alte Jakob Schabenberger weder lesen noch schreiben konnte, aber dafür hatte er seinen Sohn, der ebenfalls (sicherlich der Einfachheit halber) Jakob hieß und im letzten Reihenhaus wohnte. Hier hatten wir unseren ersten kleinen Dispute. Der alte Schabenberger gab den Vertrag seinem Sohn zur Unterschrift. Ich bestand aber darauf, dass derjenige unterschreibt, dem das zu vermietende Haus wirklich gehört, da der Mietvertrag sonst ungültig wäre. Ich konnte nur vermuten, dass alles dem Alten gehörte, weiß es aber bis heute nicht genau. Es sah so aus, dass er seine Landwirtschaft aufgegeben hatte und statt dessen Häuser vermietete, die er auf seinem Hof errichtet hatte. Der Acker begann hinter den Häusern, wo er seine Pferde hatte. Direkt neben meinem Haus war ein Stall mit einem Misthaufen davor.
Um ein gutes Verhältnis zu meinen Vermietern zu haben, fragte ich den jungen Jakob ob er Tennis spiele. Er spiele Fußball in einem Verein und etwas Tischtennis. Ich lud ihn ein, Tischtennis zu spielen. Anfangs wollte er auch, dann kniff er. (Wie mir später jemand zuflüsterte, hatte er Angst zu verlieren. Er wollte sich aber auch deshalb nicht näher mit mir einlassen, weil ihm schon vor meinem Einzug gesagt worden war, dass der Saupreuße nicht lange dort wohnen würde...)
Meine nette Kollegin Bures half mir auch gleich mit ein paar Möbeln aus. Sie kümmerte sich wie eine Mutter um mich.
Eines Tages, als ich mich in meinem neuen Haus wohl entspannt die Ruhe genoß, geschah es.
Als ich gerade beim Einnicken war, fuhr ich erschrocken hoch. Ein ohrenbetäubender Lärm in der Luft über mir näherte sich schnell meinem Haus. Ein Flugzeug stürzt direkt auf mein Haus, schoß es mir durch den Kopf. Ich erwartete jede Sekunde den Aufprall. Ich warf mich zu Boden, vergrub meinen Kopf in meinen Armen und wartete darauf, dass alles über mir zusammenstürzte, aber nichts dergleichen geschah. So schnell wie er gekommen war verschwand der Lärm wieder. Es war ein viel zu niedrig fliegender Düsenjäger gewesen. So niedrig durften sie überhaupt nicht fliegen - noch dazu in einer Wohngegend! Er war zudem viel lauter als eine Mig, die ich auf dem Flugplatz in Preschen aus der Nähe gehört hatte. Der ganze Brustkorb und die Eingeweide vibrierten, die Zähne klapperten, wenn man in der Nähe eines laufenden Triebwerks stand. Bei mir klirrten jetzt die Tassen im Schrank. Es war wie bei einem Tornado, der gerade mein Haus in sich hinein saugen wollte. Aus gutem Grunde hatte man diesen Flugzeugtyp also "Tornado" genannt. Dieser Lärm war nicht zum Aushalten. Da es in dieser Gegend keine derartigen Naturkatastrophen gab, hat der Mensch sie sich also selber geschaffen. War das der proklamierte Sieg des Menschen über die Natur?
Auf mein erschrecktes Fragen über dieses ungewöhnliche Ereignis wurde mir nur lakonisch geantwortet, "die kommen immer hier rüber." Das Haus lag also direkt in der Einflugschneise eines Militärflughafens! Warum hatte mir das keiner gesagt? Auf der Landkarte sah ich keinen Flugplatz. Halt, da war ein großer weißer Fleck bei Fürstenfeldbruck; das mußte er sein. Das mußte ausgerechnet mir passieren, wo ich schon allergisch auf Straßenlärm reagiere. Ich fühlte mich verraten - schnell wieder raus hier. Ich versuchte sofort ein anderes Haus zu bekommen. Jetzt merkte ich wie angespannt der Wohnungsmarkt in München wirklich war. Ich hatte kaum eine Chance etwas Gleichwertiges zu finden. Wenn ich mir etwas ansah, machte ich vorher immer ein Telefongespräch, dass von meinen Nachbarn regelmäßig abgehört wurde, wovon ich damals allerdings nichts ahnte. Ich wunderte mich immer nur, dass ich nach einem freundlichen Telefongespräch regelmäßig von der gleichen Person so schroff abgelehnt wurde, als ich mir eine Wohnung ansehen wollte. Der SSD war jedesmal schneller als ich gewesen. Sie hatten mit mir das Spiel "Der Igel und der Hase" gespielt, wobei ich der Hase war und mich tot lief, d.h. nie etwas anderes bekommen hatte.
Ich mußte also zunächst in diesem Haus bleiben, ob ich wollte oder nicht, würde aber bald eine Lösung finden, denn ich verdiente ja nun gut.
Der Makler, die Schabenbergers, einfach alle hatten mir kein Wort über das Lärmproblem gesagt. Ich hätte den Makler verklagen sollen und das viele Geld zurückverlangen sollen, das er dafür genommen hatte und ein ehrliches Angebot verlangen sollen. Leider ließ ich mir immer zu viel gefallen, ohne mich zu wehren. Das ist der Fehler meines Lebens! Heute wäre ich so schlau, aber damals nahm ich zu vieles einfach hin. Ich kannte ja auch noch nicht die wahre Bedeutung dieses Hauses und meiner Nachbarn. Ich fühlte mich auf diesem Hof aber nicht mehr wohl - die Ruhe war hin. Es war ein alter Bauernhof. Der Misthaufen war noch direkt neben meinem Eingang. Der Bauer hatte seine Landwirtschaft aufgegeben und Reihenhäuser gebaut. Mich haßte er von Grund auf, was er nun auch offen zeigte. Eines Tages sagte er zu mir, dem "Saupreußen", "den letzten Krieg haben wir zwar gegen euch verloren, aber schön war es doch, wie wir auf euch haben schießen dürfen." Er sagte auch, "wer auf meinen Hof kommt, hat zu machen was ich sage." Er machte da keinen Unterschied zwischen seinen Knechten und seinen Mietern. Später lernte ich, dass ich für ihn nicht nur ein verhaßter Preuße war, sondern auch höchst verdächtig, weil ich nicht nur lesen und schreiben konnte, sondern sogar "mit Buchstaben rechnete", wie er sich ausdrückte. Als ich anderen vom Ort erzählte, wo ich wohnte, erschraken sie und sagten, "bei dem würde ich nicht einmal umsonst wohnen."
Da erhebt sich nun die Frage, warum er ausgerechnet mir sein Haus vermietet hatte, wo er jeden Preußen haßte und 100 Bayern hätte nehmen können. Ich würde es bald erfahren. Irgendetwas lief hier im Hintergrund ab, das merkte ich auch anderswo - ich wußte nur noch nicht was.
Als ich mich polizeilich anmelden wollte, sagte mir die Dame am Schalter kategorisch, dass ich in dieses Haus nicht einziehen könne. Als ich ihr sagte, dass ich schon drin sei, schaute sie mich nur fassungslos an, nahm meinen Ausweis und verschwand. Sie wußte offenbar etwas, das sie mir aber nicht sagen wollte. Nach einer Weile machte sie wortlos meine Anmeldung, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Es war nicht zu übersehen, dass sie irgendetwas gegen mich hatte.
Derartiges erlebte ich öfters So wollte ich in den Tennisclub von Olching eintreten und stellte mich dort vor. Als ich meinen Namen sagte, versteinerten plötzlich die freundlichen Gesichter. Wir sind voll, war die schroffe Antwort - und damit meinten sie nicht das Bier, das sie tranken. Laßt mich doch einmal spielen, vielleicht wollt ihr mich dann sogar in Eure Mannschaft aufnehmen, versuchte ich einzulenken. Es half alles nichts, sie ließen mich nicht einmal auf ihre Tennisplätze rauf. Sie wollten mich patu nicht - basta. Dass sie mich nicht haben wollten, war eigenartig, denn normalerweise sind die Clubs daran interessiert, gute Spieler für ihre Mannschaften zu bekommen und dazu wäre ich gut genug gewesen.
Jemand hatte sie offenbar auf mich vorbereitet gehabt. Na gut, dann eben nicht; ich werde sowieso bald wieder umziehen, dachte ich.
Ich spielte mit dem Gedanken, das Zimmer in Berlin noch für eine Weile zu behalten. Leider habe ich es nicht getan, sonst hätte
ich zurück nach Berlin flüchten können und der SSD hätte nicht das mit mir machen können, was nun geschah.
Später sagte mir irgendeiner, ich solle es doch mal in Gernlinden versuchen. Dort nahm man mich in den Tennisclub auf, als wenn man auf mich gewartet
hätte (- man hatte).
(Es ist kaum zu glauben, aber die Nachricht stimmt, der SSD hatte in München nicht nur einen eigenen Betrieb - er hatte in Gernlinden auch einen eigenen Tennisclub, in den sie mich hinein lockten, und der später bedeutsam wurde.)
Zunächst lernte ich bei der Knorr-Bremse GmbH langsam, warum man mich wirklich eingestellt hatte.
Ich wurde einem Dr. Schelle, dem Leiter der Abteilung Sonderentwicklungen unterstellt und saß mit einer Frau Mariella Bures aus der CSR in seinem Vorzimmer. Er hatte sich anfangs dagegen gewehrt, dann ging er seine neue Aufgabe an. Zunächst wollte er eine Liste aller meiner Erfindungen haben. Ich gab ihm eine mit 7 Erfindungen. Das war nicht genug für ihn, er wollte mehr. Er wußte offenbar von irgendwoher, dass ich mehr hatte. Er suchte offenbar nach etwas bestimmten, konnte aber nicht offen aussprechen, wonach. So befahl er mir - im gleichen Ton wie Hauptmann Wagner - mehr zu schreiben. Dieses Mal bekam er die Liste vom 4.9.1979 (Anhang 19-22 ) mit 4 Seiten und 12 verschiedenen Ideen.
Dies war wiederum nicht genug für ihn. Das, worauf er wartete, war offenbar wieder nicht dabei. Jetzt verlangte er meine Ideen mit einer Funktionsbeschreibung. Die Liste vom 7.9.1979 (Anhang 23-28 ) enthält die Beschreibung von 7 verschiedenen Prinzipien.
Als er sich diese Liste ansah, machte er wieder ein enttäuschtes Gesicht. Langsam dämmerte sogar mir, was er sehen wollte. Ich kam
mir vor, als ob ich wieder in einem Untersuchungsgefängnis des SSD säße, wo mich Hauptmann Wagner auch immer mehr aufschreiben ließ, weil er nie
genug bekommen konnte - und nie das bekam, was er am meisten wollte. Dr. Schelle erinnerte mich sehr an Hauptmann Wagner. Beide benutzten die gleichen
Worte. Das ist auch kein Wunder, beide taten ja dasselbe. Beide versuchten so viel wie möglich über meine Erfindungen aus mir herauszuquetschen und
hatten offenbar auch die gleiche Ausbildung hinter sich. Das was hier geschah, nannte man "Vernehmung", solange es im
Untersuchungsgefängnis des SSD geschah,
jetzt hieß das Gleiche "Spionage". Es war Spionage in Reinkultur. Nachdem ich ihm alles aufgeschrieben hatte, fuhr er nach Ost-Berlin - ganz offiziell als Dienstreise - und übergab meine Listen seinen Vorgesetzten, was ich durch Zufall erfuhr.
Sie waren immer noch nicht zufrieden. So wollte er nach seiner Rückkehr noch andere Dinge von mir wissen. Er wollte eine Liste aller Betriebe, die an meinen Erfindungen interessiert waren, die Namen aller potentieller Lizenznehmer haben. Deutlicher ging es nun nicht mehr. Ich machte die Liste vom 18.9.1979 (Anhang 29 ), wobei ich zu vermeiden suchte, ihm alle Namen zu geben. So schrieb ich unter Lizenzrechten nur:
"1.) Druckluftmotor: Firma Deprag
2.) Vakuumdruckverdichter für Tankwagen innerhalb der Landwirtschaft." also keinen Namen.
Er schrieb daneben: Ausland? Wo?
Wie ein guter Vernehmer ließ er nicht locker, dies war für ihn offenbar höchst wichtig. So mußte ich "Firma Hölz" darunter setzen. (Damit waren alle meine späteren Bemühungen mit der Firma Hölz schon zunichte gemacht, bevor sie richtig begonnen hatten - ich wußte es nur noch nicht.)
Als er dieses hatte, fuhr er wiederum nach Ost-Berlin. (Sensible Dinge werden immer nur mündlich übertragen.)
Als Genosse Dr. Schelle aus Ost-Berlin zurück kam, wollte er mit seinen Verhören fortfahren. Ich verlangte jetzt aber, dass der Leiter der Patentabteilung, Herr Lewetag, bei derartigen Dingen hinzugezogen würde. Ich hatte ihm schon eine Liste meiner Erfindungen gegeben, die er aufbewahrte. Dr. Schelle sollte nicht der Einzige sein, der sie hat. Dort müßte sie auch heute noch liegen. Herr Lewetag sah ein, dass über so sensible Dinge, wie Informationen über unpatentierte Erfindungen eines neu Eingestellten, zumindest zwei Angestellte der Firma Bescheid wissen sollten. Er würde ab jetzt mit dabei sein. Das Ergebnis war, dass Dr. Schelle von mir plötzlich nichts mehr wissen wollte. Er ließ mich einfach links liegen. Er war eigentlich derjenige, der dafür sorgen sollte, dass mein Verdichter gebaut wurde. Dies tat er aber nicht. Als ich ihn einfach überging und meine eigenen Wege suchte, sabotierte er die Sache sogar. Er hetzte die Kollegen gegen mich auf, damit niemand mit mir sprach oder mir sogar half. Als mich in der Konstruktionsabteilung niemand unterstützte, machte ich eben alleine die Zeichnungen; wenn niemand die Teile fertigte, würde ich dies auch selber machen etc. In den Werkzeugbau ließ man mich aber überhaupt nicht rein. Es gab überhaupt kein offizielles Programm zur Entwicklung meines Verdichters. Ich war der Einzige, der aufgeregt herumlief, um etwas in Gang zu bringen. Ich hätte meine Teile ja auch noch selber gedreht, wenn man mich nur gelassen hätte. So stand ich mit meinen Zeichnungen in der Hand vor verschlossenen Türen. Niemandem war erlaubt, Teile für mich zu machen. Aber nicht nur das; es war ihnen strikt untersagt worden, mich überhaupt in den Werkzeugbau hereinzulassen. Ich habe die Maschinen auch nie zu sehen bekommen. Der SSD wußte ja aus Erfahrung, wie gefährlich es war, mich an irgendwelche Maschinen zu lassen. Sie wußten nur zu genau, dass ich im Motorenwerk Berlin/Johannisthal meine Teile selber gemacht hatte, und dann noch meine Drehkolbenmaschine im Fernsehen vorgeführt hatte. Eine derartige Katastrophe hatten die Genossen zu verhindern - durfte es nie wieder geben! (In der Tat hat es bis zum Jahre 2000 keine Fernsehstation auf diesem Planeten gewagt, irgendeine meiner Erfindungen zu zeigen.) Ich hatte bei dieser Firma weniger Chancen, als damals in Ost Berlin im Motorenwerk Johannisthal.
Anfangs fand ich es nett, dass meine Kollegin Bures mich überall hin begleitete. Dass sie beim Essen immer neben mir saß, wo doch ihr Mann im gleichen Betrieb arbeitete, wurde mir aber langsam zu viel. Ich konnte überhaupt nicht mit jemanden reden, ohne dass sie dabei war. Sie klebte an mir dran, als wenn sie dafür bezahlt würde (- sie wurde). (Der Verfassungsschutz wußte übrigens, dass das Ehepaar Bures für den SSD arbeitete; das half mir aber nichts.)
Nach Beendigung seiner Verhöre sprach Dr. Schelle kaum noch mit mir und ließ mich links liegen.
Ich versuchte, bei der Firmenleitung einen Termin zu bekommen. Sie sollten mir die versprochenen Bedingungen schaffen, dass ich endlich mit der Arbeit beginnen konnte, für die ich eingestellt worden war. Ich wollte in eine andere Abteilung - weg von Dr. Schelle, der nichts Gutes bedeutete. Aus irgendeinem mir damals unerfindlichem Grunde ging das aber alles nicht. Mir wurden zwar Mittel für meine Entwicklungsarbeit versprochen, bekommen habe ich sie allerdings nie. Dr. Schelle konterte auch sofort und bearbeitete die anderen Abteilungsleiter, besonders den damaligen Leiter der Konstruktionsabteilung so lange, bis dieser ein vernichtendes Urteil über meinen Verdichter fällte. (Mit mir selber hat er nie gesprochen). Um die Sache offiziell zu machen, berief Dr. Schelle eine Sitzung ein, bei der gegen mich das offizielle Urteil verhängt werden sollte. Der Leiter der Konstruktionsabteilung zerriß meine Ideen in der Luft, besonder diejenigen, die er noch gar nicht kannte. Zum Schluß sagte er noch vorwurfsvoll zu seinen Kollegen, die alles schweigend mit angehört hatten, und nicht wußten, was hier gespielt wurde: " Der will das Ganze ja auch noch in Wasser laufen lassen!" (Dies war tatsächlich meine Idee, um einen ölfreien Verdichter auch noch leistungsstärker als einen herkömmlichen ölgeschmierten Hubkolbenverdichter zu machen, was mir später ja auch gelungen war.) Ich habe darüber keinerlei Aufzeichnungen. Dies hatte er auch nicht gewagt, denn es enthielt keinerlei konstruktive Kritik - es war reine Hetze, inziniert von Dr. Schelle. Man hätte drüber lachen können, wenn die Manager nicht gesagt hätten: "Wir müssen auf unsere Ingenieure hören." Meine eigene Stimme hatte dabei keinerlei Gewicht. Von dieser Zeit an war mein Verdichter ein verbotenes Thema im ganzen Betrieb. Rechtlich gesehen war die Entscheidung, meine Verdichter praktisch zu untersuchen schon mit meiner Einstellung gefallen. Es war vereinbart, dass ich einen von mir erfundenen Verdichter entwickle. Jetzt versuchte man diese Entscheidung rückgängig zu machen. Die Knorr-Bremse GmbH wurde damit jetzt vertragsbrüchig. Die Vorurteile einiger Kollegen gegen meine Erfindungen sollten dabei keine Rolle mehr spielen.
Ich mußte mir eine andere Arbeit suchen, denn ich hatte Angst, dass sie mich nach dieser Hetzkampagne auch noch rauswerfen würden. Ich fragte, was sie denn von mir entwickelt haben wollten - womit ich sie glücklich machen könne. Eine einfache Ventilsteuerung, war die Antwort. Der Wirkungsgrad der produzierten Kompressoren sollte verbessert werden. (Die einfachen Flatterventile "verbrauchen" Luft, und senken damit den Wirkungsgrad.) Die Knorr-Bremse verwendete für ihre Bremsanlagen völlig überalterte Kompressoren. Dort gab es genügend Raum, etwas zu verbessern. Ich erfand und konstruierte eine vereinfachte Ventilsteuerung ohne kompliziertes Gestänge wie Kipphebel etc. (Meine Verdichter brauchten gar keine Ventile, wenn sie aber unbedingt Ventile haben wollten, sollten sie damit glücklich werden.) Das Problem war, eine Schubkraft von einem Ort zu einem anderen möglichst einfach (einfacher als hydraulisch) zu übertragen, wobei Ort und Richtung beliebig wählbar sein sollten. (Eine Schubstange geht nur geradeaus; Kipphebel ändern nur die Richtung der Schubkraft.)
Ich fand die Lösung des Problems in einem mit Kugeln gefülltem Rohr. Man kann es wie ein Kabel verlegen und in jede Richtung verbiegen, also die Richtung der ankommenden Schubkraft und den Ort bestimmen. Solch ein mechanisches System ist zuverlässig. Ähnliches verwendet man schon in der Lenkung für Kraftfahrzeuge, was sich bewährt hat. Diese Ventilsteuerung könnte man theoretisch auch in Kraftfahrzeugmotoren verwenden - sogar eine einfache Zwangssteuerung für die Ventile wäre so möglich. Das Ventilspiel würde sich hier einfach von außen einstellen lassen, indem man an der Rohrverschraubung dreht, wobei sich die Länge des wirksamen Rohres um kleine Beträge ändert.
Raten Sie einmal, wie man darauf reagierte. Dieses Mal gab es überhaupt nichts, kein ja oder nein, sondern völlige Ignoranz Mich gab es für sie schon nicht mehr. Es war so, als wenn ihnen jemand erzählt hätte, dass ich gestorben sei. (Vielleicht konnten sie gegen diesen Vorschlag auch nur keine Argumente finden.)
Dies war für mich der letzte Beweis dafür, dass es hier überhaupt nicht um die Technik ging. Hier waren offensichtlich ganz andere Dinge im Spiel. Was ich auch tat - ich konnte die kommenden Dinge nicht aufhalten.
Zu Weihnachten 1979 bekam ich dann eine Kündigung ohne Begründung aufgetischt, die nun keine Überraschung mehr war - aber ich will nicht zu weit vorgreifen, weil die Ereignisse bei der Knorr-Bremse GmbH ohne die Geschehnisse bei mir zu Hause und andern Orts gar nicht zu verstehen sind, welche die Sache klarer machen.